Rückblick im Zeitraffer
v on Ulrich Wienforth
Erinnern Sie sich noch, was Sie anno 1973 so
gemacht haben - falls es Sie schon gab? Also
/.um Beispiel: Telefoniert wurde schnurge-
bunden und analog, geschrieben wurde auf
der Schreibmaschine, und die Lebenshal-
tungskosten waren nicht mal halb so hoch
wie heute. Koch deutlich niedriger waren
Löhne und Gehälter, und trotzdem lebten die
Menschen nicht ärmlich, auch HiFi-mäßig
nicht. Wer ein bisschen was auf sich hielt, hat-
te seinen Dual- oder Thorens-Plattenspieler,
vielleicht sogar eine Revox-Bandmaschine,
dazu einen Receiver zum Beispiel von Grun-
dig, Saba oder Telefunken. Die deutschen
Hersteller hatten damals gerade erst das The-
ma HiFi für sich entdeckt.
Vor 30 Jahren war HiFi noch ein ziemlich
neues und bis dato bierernstes Hobby, quasi
wissenschaftlich und streng an Messwerten
orientiert. Da gab es die ominöse DIN 45500,
die über Sein und Nichtsein in der HiFi-Welt
entschied. Den einen war sie zu lasch, den an-
deren zu streng, aber immerhin half sie ein
wenig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Was
die Musik angeht, so war der HiFi-Fan im
Normalfall Klassikhörer, denn bei Rock und
Pop mit ihren elektrischen Gitarren fehlte ja
das akustische Original, an dem man die Wie-
dergabetreue der HiFi-Kette hätte messen
können. Und dann kam also eine neue Zeit-
schrift namens STEREO daher und mischte
dieses fest gefügte Weltbild auf: Erstmals
rückten Rock, Pop und Jazz gleichberechtigt
neben die Klassik. Tatsächlich war STEREO
damals eher eine Musikzeitschrift mit an-
gehängtem HiFi -Teil - mit ausgedehnten
Kiinstlerportraits und Köpfen statt Geräten
auf dem Titel. Am Kiosk kostete das Heft vier
Mark - dafür mussten Sie damals länger ar-
beiten als heute für die 4,50 Euro. Media-
Märkte & Co gab es übrigens zu dieser Zeit
noch nicht. Der klassische Rundfunkhandel
und HiFi-Studios dominieren die Szene. Erst
1979 eröffnet in München der erste Media-
Markt - schon damals mit einer spekta-
kulären Aktion: Weitwurf von Altgeräten.
Welche Themen bewegten die HiFi-Szene
anno 1973? Thorens kommt mit dem Plat-
tenspieler TD 166, der sich zum Klassiker ent-
wickeln und bis zum Ende des Jahrtausends
präsent bleiben sollte. Ein weiterer Klassiker
aus dieser Zeit: der „Jecklin Float“-Kopfhörer.
Auch über Zweikanal versus Quadro wurde
damals in STEREO schon heftig diskutiert.
1976 kommen die Brikett-Lautsprecher groß
in Mode: winzige Zweiwege-Böxchen mit
vergleichsweise kräftigem Bass. 1977 wird der
Tonträger 200 Jahre alt, und 1978 kündigen
sich mit den ersten Synthesizer-Tunern schon
die Vorboten der Digitalisierung an: STEREO
testet den legendären Revox B760. Kaum
zwei Jahre später hat sich die Synthesizer-
Technik weitgehend durchgesetzt.
Bei den Aufnahmesystemen dominiert En-
de der Siebziger noch die Spule. Im März
1978 testen wir die B 77 von Revox, die wirk-
lich HiFi-Geschichte schreiben sollte. Aber es
gab auch schon hochwertige Cassettendecks.
Von Eumig kommt Anfang 1980 eins mit dem
Zusatz „pP“ für Mikroprozessor: mit auto-
matischer Bandeinmessung. Von da an halten
die kleinen Computer immer mehr Einzug in
HiFi-Geräte. Reineisenbänder verhelfen der
Cassette ab 1980 endgültig zum Durchbruch,
auch bei anspruchsvollen HiFi-Fans. Sie er-
lauben es, auf die ungeliebte Dolby-Rausch-
unterdrückung zu verzichten. Doch Dolby
bleibt nicht untätig und stellt 1979 „Dolby C“
vor, das nun auch herkömmlichen Cassetten
Déjà
vu: 1973 stand noch „Quadro" im STEREO-Titellogo, und die Unterzeile hieß staatstragend „Das deutsche
HiFi- und Musikmagazin". Ab 1986 lässt die Spaßgesellschaft grüßen: „Mehr Spaß mit HiFi und Musik".
Irgendwie digital wirkt das neue Titellogo 1994 mit den Schrägstrichen, schlicht und sachlich das Motto
„Testmagazin der High Fidelity". Das Ooppel-O ist seit 1995 STEREOs Markenzeichen
mehr Höhendynamik entlockt. Ein Höhe-
punkt in der langen Cassetten-Historie.
Wie sahen HiFi-Anlagen damals aus? Deut-
sche Hersteller favorisieren noch bis Ende der
Siebziger die
Komplettanlage
in
einem
Gehäuse - gern auch in Pultform. Alternativ
gibt’s von Grundig, Telefunken & Co den
wuchtigen Receiver, noch deutlich erkennbar
der Nachfahre des Wohnzimmerradios. Die
japanischen Hersteller, die zu dieser Zeit mas-
siv auf den europäischen Markt drängen,
kommen bereits mit „Türmen“ daher, aber
was für welchen! Ehrfurcht gebietende 19-
Zoll-Racks mit senkrecht eingebautem Ton-
bandgerät. Doch schon 1979 rollt die erste
Mini-Welle über uns hinweg. Integrierte
Schaltungen hatten die Miniaturisierung er-
möglicht. Aber solange der Plattenspieler 30
g
LEOPOLO BÜNENGL.
GESCHÄFTSFÜHRER S O M
DEUTSCHLAND GMBH:
ln den letzten dreißig Jahren hat STEREO zahlrei-
che Sony-Innovationen publizistisch begleitet -
vom Walkman über DAT und MiniDisc bis zur
SACD. Dabei hatte die STEREO- Mannschaft stets
einen guten Riecher für zukunftsträchtige Systeme und Produkte.
So soll es bleiben. Alles Gute, STEREO!
Zentimeter plus Tonarm breit war, nutzte die
ganze Miniaturisierung der Elektronik nicht
viel. Auch der Tangentialplattenspieler, der
damals groß in Mode kam, ist nicht wesent-
lich schmaler. Deshalb arbeiteten die großen
Konzerne mit Hochdruck an einem neuen
Tonträger, der die LP ersetzen sollte.
Schon im März 1979 stellt Philips erstmals
die Compact Disc staunenden Journalisten
vor: handlich, störungsfrei und verschleißfest
dank Laser-Abtastung. Telefunken setzt seine
„Mini-Disc“ dagegen (ja wirklich, die hieß
so): eine ebenfalls kompakte Digitalschcibe,
die aber mechanisch abgetastet wird. Auch
Panasonic arbeitet damals an einem System
30 Jahre STEREO
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